Freitag, 19. September 2008

blaue Stunden

Sie sagte, die Stille sei ein Geräusch und ich dachte daran, wie weit unsere Wortlosigkeit von der Starre des Schweigens entfernt lag, einer Starre, die jede Bewegung verhindert, selbst das Schlucken, das Heben des Brustkorbs zum Atmen oder dem Verschieben der Füße unter dem Stuhl.
Sie sprach von Abschied und Rückkehr, sie sprach in Jahrszeiten und Gewichtsklassen für Gepäck, von Fahrtzeit in Bahnen und Preisen von Flügen, Besuch. Sie sprach von Städten, deren Namen ich nicht aussprechen, noch erinnern kann und deren Lage ich nur ahnte.
Sie sagte, die Stille sei ein dunkles, volles Geräusch, ähnlich dem Klang einer riesigen Glocke aus weiter Entfernung, rot wie die Sonne am Abend, warm wie ein Stein der trocknet und hell wird in ihrem Licht.

Langsamer Atmen

Freitags fahren wir raus aufs Land, wir fahren zum Einatmen, Ausatmen, Auftanken, wir – flüchten. Wir setzen uns in kleine blaue Autos und nennen sie Fluchtautos später, lachend. Hundert, zweihundert, dreihundert Kilometer nach Norden, Westen, Süden, dann zurück, zurück immer erst sonntags, manchmal auch montags.
Montag bis Freitagmittag ist keine gute Zeit zu leben, die sollte man streichen, an Wochentagen Lebenszeit sparen. Wir sehnen uns dann nach den einfachen Leuten, den wenigen Worten, dem langsamen Atmen. Montag bis Freitagmittag gehen wir manchmal, nicht häufig, doch manchmal, hinaus und wir gehen nicht eilig, wir gehen ohne Gesellschaft, Telefon, Ziel.

Maße für Lagen

Wo du bist, schlägt eine andere Zeit. Alle paar Tage Kurznachrichten mit Koordinaten: Städtenamen, Tischgesellschaft, Wegmaß in Meilen und Wetterlage in Fahrenheit: Der Singsang betender Inder am Tisch gegenüber, dazu das Schrammeln von Klampfen aus Radiosendern, im Westen nichts Neues als Regen, Regen in San Francisco nach Tagen der Dürre, Tagen in Wüsten, in alles zersetzender Hitze.

Hörst du das

Hörst du das, hörst du das, halt dich nur fest mit den Füßen am Boden, binde die Haut an Gestein oder kralle die Zehen tief in die Erde, halt dich nur wie auch immer am Boden und höre das Rasen, das Beben, die eigene Hast.
Drinnen ist eben noch Stille gewesen, im Drehen der Hand auf dem Tisch erst stand es geschrieben, auch in den Schritten, den Sätzen, den Blicken, was willst du noch wissen als das. Halt dich nur fest mit den Füßen am Boden, binde im Herzrausch die Haut an Gestein.

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COPYRIGHT: Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

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